Betriebsspaziergang durch Dinklage - Wie geflüchtete Frauen einen Job finden

Viele Unternehmen suchen händeringend Personal. Dabei fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern grundsätzlich Arbeitskräfte. Eine Zielgruppe, die auf dem Arbeitsmarkt laut Experten dennoch kaum wahr- genommen wird, sind geflüchtete Frauen. Das haben auch die Kreisverwaltungen, Kammern und Jobcenter in der Region erkannt – und sich 2015 zu einem kleinen Arbeitskreis zusammengefunden.

Ein Arbeitskreis besichtigt mit 12 Migrantinnen in Dinklage 4 Betriebe. Dort wird Personal händeringend gesucht

Von Frederik Böckmann

Dinklage. Viele Unternehmen suchen händeringend Personal. Dabei fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern grundsätzlich Arbeitskräfte. Eine Zielgruppe, die auf dem Arbeitsmarkt laut Experten dennoch kaum wahrgenommen wird, sind geflüchtete Frauen. Das haben auch die Kreisverwaltungen, Kammern und Jobcenter in der Region erkannt – und sich 2015 zu einem kleinen Arbeitskreis zusammen- gefunden.

Das Ziel dieses Bündnisses: Weibliche Geflüchtete und Migrantinnen mit Sprachniveau ab A2 (jedoch niedriger als B2) dabei zu begleiten, einen Weg in den Beruf zu finden. In Dinklage etwa treffen sich die Mitglieder des Arbeitskreises mit 12 Frauen. Diese sind aus Bulgarien, Syrien, Afghanistan, Eritrea und der Ukraine geflüchtet – und suchen Arbeit. Der Arbeitskreis versucht nun, gemeldete Arbeitssuchende und freie Stellen zusammenzuführen. Bewerbungen können direkt bei den Betrieben abgegeben werden.

 Welche Möglichkeiten es für die Frauen auf dem Arbeitsmarkt geben kann, das erfahren sie bei drei Betriebsbesichtigungen: Im Altenwohnhaus der St.- Anna-Stiftung, im Rheinischen Hof und bei Meisterfloristik Schmunkamp lernen sie die verschiedenen Berufsfelder kennen. Und in der Begegnungsstätte informiert Familie Burhorst über das von ihnen geführte Bussjans Hofcafé. Arbeit, das betonen alle vier Arbeitgeber, gebe es reichlich.

Warum es trotzdem nicht leicht sein wird, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren? Weil die Arbeitszeiten für Mütter mit jungen Kindern bisweilen schwieriger zu organisieren sind, nennt Gaby  Middelbeck von der Koordinierungsstelle für Frauen und Wirtschaft im Oldenburger Münsterland eine der Herausforderungen auf dem Weg in den Job. Eine andere seien fehlende Deutschkenntnisse; weil die Betreuung für die Kinder fehle, falle ein Kursbesuch schwer.

Das Familienleben zu organisieren, das könnte auch für die Arbeit im Altenwohnhaus ein Problem werden, wie es einige der Geflüchteten beim Besuch der Einrichtung durchblicken ließen. Denn die Arbeit in der Einrichtung findet hauptsächlich in (kurzen oder langen) Schichten statt. Das Altenwohnhaus sucht schwerpunktmäßig im Bereich der Pflege Personal und bildet in diesem Bereich auch aus. „Das ist ein zukunftsträchtiges Berufsfeld“, betont Heimleiterin Martina Uchtmann. Egal ob Fachkraft oder Pflegehelferin, „es werden viele Arbeitskräfte benötigt“.

Auch im Reinigungsdienst und Wirtschaftsdienst der St.- Anna-Stiftung werde immer Personal benötigt. Heimleiterin Uchtmann sagt: Wer in  einen Beruf reinschnuppern möchte, der könne dies bei der St.-Anna- Stiftung problemlos machen. Und wer dort arbeiten möchte, für denjenigen versuche man mit Blick auf die Arbeitszeit gute Lösungen zu finden. Nötige Qualifizierungen bezahle übrigens das Jobcenter.

Sehr ähnliche Worte wie Martina Uchtmann wählt auch Enno Schmunkamp. Er führt das Familiengeschäft Schmunkamp Meisterfloristik (früher Blumen Bahlmann) – und sucht ebenso wie  die Pflege oder Gastronomie Personal. Er betont: „In Deutschland gibt es praktisch keine Floristen mehr.“ Der Markt sei leergefegt. Deshalb sei der Beruf „für immer gesichert in der Zukunft“. Neben Enno Schmunkamp und seiner Schwester Ines arbeiten zwei weitere Teilzeitkräfte in dem Geschäft.

Personelle Unterstützung? Die nehme er deshalb sehr gerne an, betont Enno Schmunkamp. Bei den Arbeitszeiten und Arbeitstagen (üblicherweise auch viel am Wochenende) sei er flexibel, Interessierte könnten bei ihm sofort mit der Arbeit starten – auch in Form von Praktika oder nur einige wenige Stunden am Tag. Er benötige keinen Lebenslauf oder eine Bewerbung, sagt Schmunkamp. In vielen kleinen Schritten werde alles Wissenswerte rund um die Blume erklärt. Und wenn die Deutsch-Kenntnisse der Bewerberin etwas schlechter sind? Das sei ebenfalls kein Hindernis, sagt Enno Schmunkamp und ergänzt mit einem Lächeln: „In der Floristik sprechen wir eh durch die Blume.“

Der Arbeitskreis zieht nach der mehrstündigen Veranstaltung ein positives Fazit. Lydia Vaske, Willkommenslotsin der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, sieht bei einigen Geflüchteten „schon das Potenzial für Einzelgespräche“. Die Frauen hätten durchblicken lassen, in einigen Betrieben arbeiten zu wollen. Ein Praktikum oder eine Hospitanz sei ohnehin überall möglich.

Grundsätzlich hätten alle Frauen, die in ihren Herkunftsländern im Bereich Hauswirtschaft arbeiteten, im hiesigen deutschen Arbeitsmarkt gute Chancen – meint Vaske mit Blick auf die Arbeitsfelder Gastronomie, Küche und Service. Auch Ulla Kampers, Regionalbotschafterin des Netzwerks „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“, macht den geflüchteten Frauen Mut: „Gebt Gas, ihr habt eine gute Zukunft in Deutschland.“

Fakten
Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Vechta: Stephanie Rolfes- Gröninger
Teamleiterin Markt & Integration des Jobcenters Vechta: Carolin Idasiak
Willkommenslotsin Oldenburgische IHK Oldenburg: Bettina Doneit
Willkommenslotsin Landwirtschaftskammer Niedersachsen: Lydia Vaske
Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Ausbildungsleiterin Hauswirtschaft: Ulla Hoppe
 „Perspektive: Pflege! e. V.“ Landkreis Vechta, Koordinierungsstelle Perspektive: Pflegeausbildung!: Tomke zur Brügge
Willkommenslotse Handwerkskammer Oldenburg: Hussein Kerri
Regionalbotschafterin des Netzwerks „Unternehmen integrieren Flüchtlinge“: Ulla Kampers
Koordinierungsstelle Frauen und Wirtschaft im Oldenburger Münsterland, Projektmitarbeiterin „weibliche Geflüchtete“: Gaby Middelbeck

Text und Foto: Frederik Böckmann
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